Ein Modell mit einer langen Tradition
Die Mittelklasse von Mercedes-Benz gilt seit Jahrzehnten als das Taxi-Sinnbild in Deutschland schlechthin. Schon beinahe ein Jahrhundert ist es her, dass der Hersteller in das Taxi-Geschäft einstieg. Mit dem Modell Strich-Acht gelang in der Nachkriegszeit der große Durchbruch. Vor allem die Modelle W124 und W210 haben in den 80er und 90er Jahren dazu beigetragen, dass die E-Klasse unter Taxigästen und Taxifahrern gleichermaßen einen Status als Legende erlangte. Die Fahrer erfreuten sich an der Anspruchslosigkeit und Verlässlichkeit dieser Modelle und die Fahrgäste wussten den Komfort und die Bequemlichkeit zu schätzen. Trotz zunehmender Konkurrenz durch Volkswagen und Audi, der Mercedes blieb auch in Form des Nachfolgemodells W212 für viele der Benchmark unter den Taxifahrzeugen. Damit soll nun allerdings Schluss sein. Der Autobauer hat unlängst angekündigt, in Zukunft keine Taxiversionen der E-Klasse ausliefern zu wollen. Dieser Schritt kam völlig überraschend, hatte sich allerdings schon seit Langem abgezeichnet.
Konkurrenz innerhalb des Konzerns sorgte seit Langem für Nachfragerückgang
Laut Auskunft des Autoherstellers sind vor allem die zuletzt rapide eingebrochenen Absatzzahlen verantwortlich für die strategische Entscheidung, die Mittelklasse nicht mehr mit Taxivorbereitung auszuliefern. Hierfür ist allerdings nicht nur die Konkurrenz durch andere Hersteller wie VW, Skoda, Audi und Toyota verantwortlich, sondern nicht zuletzt auch die Konkurrenz innerhalb der eigenen Modellpalette.
Schon in den in den letzten Jahren sah man häufiger auch die C-Klasse und die B-Klasse als Taxi auf unseren Straßen. War bereits der Vorläufer der C-Klasse, der sogenannte „Baby-Benz“ (Mercedes 190) in den 80er Jahren gelegentlich als Taxi anzutreffen, so blieb dieses Metier doch meist seinem größeren Modellbruder vorbehalten. Zu eng waren die Innenverhältnisse des kleinen Mercedes, vor allem auf der für Taxifahrten maßgeblichen Rücksitzbank. Im Laufe der Zeit war die C-Klasse allerdings in ihren Dimensionen so stark angewachsen, dass man sie glatt mit einer Mittelklasse-Limousine verwechseln konnte. Ein Grund mehr für Taxi-Unternehmen, nicht zur deutlich teureren E-Klasse zu greifen. Als Reaktion darauf wurde die C-Klasse jedoch schon beim letzten Modellwechsel wieder aus der Taxi-Palette genommen. Gleiches soll nun übrigens auch der B-Klasse blühen. Diese Maßnahmen genügten jedoch nicht, die Verkaufszahlen des E-Klasse Taxis zur stabilisieren. Auch andere Gründe lagen vor.
Der Geschmack der Fahrgäste hat sich geändert
Ein weiterer Grund ist, dass der Trend heute immer mehr zu Großraumtaxis in Form von Kleinbussen und Vans geht. Mercedes gibt an, dass dieses Segment mit der V-Klasse, dem EQV, dem Vito Tourer sowie der Version eVito Tourer mittlerweile so gut laufe, dass hierdurch dem klassischen Taxi der Rang abgelaufen wird. Dementsprechend will sich der Hersteller zukünftig stärker auf diese Fahrzeugklasse bei der Entwicklung seiner Taxi-Modelle fokussieren.
Vor allem für Gruppen bietet diese Fahrzeugklasse zweifellos ihre Vorteile. Im Innenraum haben statt vier bis zu acht Fahrgäste Platz. Dadurch ergeben sich natürlich auch Kostenvorteile für die Reisenden. Vor allem für Ausflüge in Restaurants, Bars und Diskotheken sind sie eine hervorragende Wahl. Das klassische Taxi hat hier leider das nachsehen. Auch beim Shuttle-Service an Flughäfen und Bahnhöfen sind die größeren Fahrzeuge durch ihre Eigenschaft, auch sperriges und zahlreiches Gepäck einstecken zu können, gegenüber der Limousine im Vorteil. Heutige Dieselmotoren sind außerdem so sparsam im Verbrauch, dass sich die Anschaffung eines SUV oder Kleinbus für das Taxiunternehmen völlig rentiert. Sie verbrauchen kaum mehr als ein PKW. Auch in der Kfz-Versicherung und in der Taxiversicherung sind die Kleinbusse deutlich günstiger im Unterhalt als eine Mittelklasse-Limousine des Herstellers. Hinzu kommen die mitunter günstigeren Preise für Anschaffung, Wartung und Ersatzteile.
Protest regt sich unter den Taxiunternehmen
Dennoch rief diese Entscheidung der Konzernleitung bei den Taxiunternehmen spontan eine Entrüstung hervor. In einem Brief an den Firmenchef von Mercedes-Benz machte der Taxi- und Mietwagenverband unlängst seinem Unmut darüber Luft. Man befürchtet gravierende Auswirkungen auf das Taxigewerbe, die Folgen seien noch nicht abzusehen.
Das werksseitige Taxi-Paket zeichnete sich unter anderem durch eine Lackierung im Taxi-typischen Elfenbeinton aus, in ihrer letzten Version bot die Taxiversion auch ein Multimedia-System und zwei hochauflösende Flachbildschirme.
Zwar wäre es prinzipiell auch möglich, eine normale E-Klasse mit Zubehör zum Taxi umbauen zu lassen, die Zusatzkosten würden allerdings die meisten Taxiunternehmen von diesem Schritt abschrecken.
In ihrer Eleganz und Präsenz kommen die profanen Kleinbus- und Van-Varianten letztlich nicht an die Limousine heran. Alternative Modelle anderer Hersteller können dagegen nicht mit dem berühmten Mercedes-Nimbus aufwarten. Viele Unternehmen befürchten daher eine Geschäftsschädigung durch diesen Schritt des Herstellers.
Obwohl im Hintergrund noch Verhandlungen zwischen Vertretern des Gewerbes und dem Mercedes-Konzern liefen, machte der Hersteller die Meldung jetzt offiziell. Ab dem Jahr 2023 wird die beliebte Mittelklasse-Limousine nicht mehr mit werksseitigem Taxi-Paket zu haben sein. Aufgrund des momentanen Bestellstops für die Limousine ist diese leider schon jetzt nicht mehr als Taxi bestellbar. Das E-Klasse T-Modell (Kombi) kann allerdings bis zum Modellwechsel weiterhin bei Mercedes geordert werden.
Dennoch gibt es einen schwachen Trost. Aufgrund ihrer Langlebigkeit wird die E-Klasse hoffentlich noch viele Jahre auf unseren Straßen als Taxi zu sehen sein, auch wenn das Modell ab dem kommenden Jahr nicht mehr als solches verkauft werden wird.